Aktuell: Ein Bild und seine Geschichte
In regelmäßiger Abfolge wird hier in Zusammenarbeit mit dem OMV-Pensionistenverein Öl und Gas Weinviertel eine ausgewählte, historische Fotografie und weiteres historisches Material zu einem Themenfeld präsentiert. Sie sind herzlich dazu eingeladen, Ihr Wissen, Ihre Geschichten, Ihre Assoziationen, aber auch Ihre Anregungen und Ergänzungen über die Kommentarfunktion einzubringen!
Letzter Blick
Das Verschwinden einer Sache macht ihre Bedeutung nicht selten erst sichtbar. Erst der Verlust lenkt den Blick präzise auf das, was jahre- oder jahrzehntelang als funktionierend vorausgesetzt wurde, und was man gerade darum nie hatte hinterfragen müssen.
Beim Abriss der OMV-Schlosserei in Neusiedl an der Zaya, aber auch im letzten Fotoalbum aus dem Fuhrpark Prottes sind auffällig viele Bilder von Arbeitsplätzen entstanden: Schreibtische und Werkbänke aller Art. Ohne Menschen stehen sie kaum noch für einen konkreten Zusammenhang der Herstellung oder Reparatur technischer Gegenstände, oder der Abwicklung von Geschäftsvorgängen. Funktionslos werden ein letztes Mal die Spuren der Arbeit sichtbar, kurz vor dem Leerräumen der Hallen und Bürogebäude, kurz bevor all die Tische und Werkzeuge verschrottet werden.
In der fotografischen Dokumentation ist der kurze, anrührende Moment, an dem der Arbeitsplatz funktional und bald auch materiell verschwindet, für die Nachwelt fixiert. Geschichten über die Arbeitswelt, Erinnerungen an die Kollegen und an die Aufgaben können hier noch einmal ansetzen.
Barbarafeier am 6.12.1970
Mitten in der Kirche, direkt neben dem Altar steht ein VW-Bus. Vor dem Altar spricht Erzbischof Exc. Dr. Joseph Schoiswohl. Es ist Barbarafeier am 6.12.1970 in der St. Leonhardskirche in Matzen.
Das Thema dieser Feier ist der Werksverkehr. Chauffeure vom Fuhrpark der ÖMV am Ernestinenhof berichten im Gottesdienst aus ihrer Arbeitswelt. Barbarafeiern im Kreise der Arbeiter und Angestellten der ÖMV, Gottesdienste also zu Ehren der als Schutzheilige der Bergleute verehrten Barbara von Nikomedien finden in Matzen spätestens seit Anfang der 1960er Jahren statt. Mündliche Berichte lassen aber schon auf einen Beginn der Feiern im Jahr 1957 schließen. Gestiftet hat diese Tradition der seit 1957 in Matzen ansässige Pfarrer Günther Gradisch (1926-1982), bis heute hoch geachteter, charismatischer Erneuerer der Pfarrgemeinde. Sowohl der neue, schlichte Kirchenbau als solcher (Neubau 1958-1959), sowie die Ausgestaltung des Innenraums mit Insignien der Arbeitswelt von Öl und Gas, wie auch die Öffnung der Liturgie im Sinne des 2. Vatikanischen Konzils ist im Weinviertel mit dem Namen Gradisch verbunden. Die Arbeitswelt im Ölfeld und geistliches Leben, Seelsorge und die Traditionen des Bergmannswesens sind im Weinviertel auf vielfache Weise verschwistert: in Fahrzeug- und Gebäudesegnungen, im Gedenken an die Toten am Barbarakreuz bei Prottes. In den Barbarafeiern in St. Leonhard werden sie aber doch auf besondere Weise zusammen greifbar. Nicht nur, weil hier immer wieder hohe und höchste Würdenträger der Kirche mit der Unternehmensleitung der ÖMV zusammentreffen – insbesondere ist hier die religiös engagierte Vorstandsdirektorin Dr. Margarethe Ottillinger hervorzuheben – mehr noch, weil hier Arbeit und Glaube in echten Werkgottesdiensten zusammen gedacht wurden. Nicht wenige Skulpturen, die im Kirchenraum von der Arbeitswelt von Öl und Gas berichten, sind im Gottestdienst selbst entstanden. Noch heute berichten ehemalige Teilnehmer der Barbarafeiern ergriffen davon, wie im Gottesdienst von ÖMV-Lehrlingen das neue Matzener Altarkreuz geschweißt wurde.April 1966: Fuhrpark Prottes beim TAL-Einsatz in Tirol
In einem Fotoalbum des OMV-Fuhrparks Ernestinenhof haben wir Bilder vom Pipelinebau in der Gegend um Kufstein gefunden. Im Frühjahr 1966 war der Fuhrpark Prottes dort eingesetzt, als die große transalpine Pipeline (TAL) von Triest über Tirol nach Bayern verlegt wurde.
Die Bilder erzählen von einer beeindruckenden, technischen Leistung. Über den Alpenhauptkamm strömt seither Öl von der Adria nach Mitteleuropa. Noch in Kärnten zweigt die Adria-Wien-Pipeline (AWP) in Richtung Raffinerie Schwechat ab. Trotz Maschineneinsatz wird in den Bildern vom Fuhrpark Prottes auch die Anstrengung sichtbar, mit der die technische Infrastruktur in die Landschaft gelegt wurde. Noch wissen wir – abgesehen von den Fotos – viel zu wenig über die ÖMV-Bauarbeiten vor Ort. Wir haben also die Bilder, die Geschichten dazu fehlen noch. Wenn Sie, oder Ihre Angehörigen von der Arbeit des Fuhrparks beim Pipeline-Bau berichten können, in Tirol oder anderswo, wenn Sie weitere Dokumente besitzen, melden Sie sich doch bei uns.18.11.1960 Bohrturmtaufe in Ternitz
Am 18.11.1960 nimmt die ÖMV eine der damals schwersten und modernsten Bohranlagen Europas in Betrieb. Die Bohrturmtaufe der Ideco-SBS Super 7-11 findet im Beisein der ÖMV-Prominenz in Ternitz statt, beim Hersteller der Anlagen, bei der damals ebenfalls verstaatlichten Schoeller-Bleckmann. Bohrtiefen von 5000 Metern können mit den beiden baugleichen Anlagen „Beppo“ und „Janós Bacsi“ erreicht werden. Zur besseren Montage und Demontage können die 44 Meter hohen Konstruktionen in die Horizontale umgelegt werden. Die damalige Taufpatin des Bohrturms „Beppo“ haben wir bei unseren Recherchen kennengelernt. „Du sollst Beppo heißen und ein glücklicher Mitarbeiter der österreichischen Erdölindustrie werden“, diese Worte hatte Frau Mag. Steindl als kleines Mädchen und Enkeltochter von Janós Siklósi, Technischer Direktor bei Schoeller-Bleckmann (Spitzname „Janós Bacsi“) zu sprechen. Ein Amateurfilm und die Wochenschau haben das Ereignis festgehalten In unserer Geschichtswerkstatt am 2.10.2014 in Prottes zeigen wir die Filmaufnahmen und – treffen unvermutet auf einen Teilnehmer der Veranstaltung. Dipl. Ing. Franz Baldauf, ehemaliger Leiter der Bohrabteilung in Prottes war als junger Ingenieur bei der Bohrturmtaufe dabei. Wir erkennen ihn kurz auf den Amateuraufnahmen und ganz deutlich dann in der Wochenschau. Und tatsächlich hat auch er selbst an diesem Tag Bilder von der Feier dabei…
Zum 80. Jahrestag am 19. August 2014: Sonde Gösting 2 ist fündig!
Am 19.8.1934 wird die Bohrung Gösting 2 fündig. Erstmals gelingt die wirtschaftliche Erdölförderung im Weinviertel.
Vorausgegangene Bohrungen, wie etwa die Bohrung „Stefanie“ auf dem Gemeindegebiet von Neusiedl an der Zaya (1928/1929), „Windisch- Baumgarten 1A“ (1930/1931) und „Gösting 1“ (1931/1932) hatten schon bewiesen, dass der Untergrund rund um den Steinberg Öl enthält. Mit großen Feierlichkeiten waren schon am 15. Februar 1933 die ersten Kesselwagen voll Öl in Zistersdorf verladen worden.
Doch erst die Bohrung Gösting 2 der Erdölproduktionsgesellschaft (EPG) unter dem legendären Geologen Karl Friedl (1898-1966) – er gilt auch als Entdecker der Öl- und Gasfelder bei Matzen und Zwerndorf und wird 1957 geologischer Direktor der ÖMV – ist nicht nur ein wissenschaftlicher, sondern auch ein wirtschaftlicher Erfolg. Mit 30 Tonnen Öl pro Tag beginnt am 22.8.1934 das Zeitalter der Erdölwirtschaft im Weinviertel. So riesenhaft die Bauten von Gösting 2 auf die Zeitgenossen auch gewirkt haben mögen, nur wenig später wird der hölzerne Bohrturm von nochmals höheren Konstruktionen überragt, bis die Anlage Ende der 1930er Jahre in einem regelrechten Wald aus Bohr und Fördertürmen aufgeht.
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