Ein Wort springt einen an. Über manche Worte und Namen gleitet der Blick nicht einfach hinweg wie über eine neutrale Information, er verfängt sich und stockt. Adolf Eichmann ist so ein Wort. Der unauffällige Organisator des Holocaust, der Manager und Schreibtischtäter im Berliner Reichssicherheitshauptamt hat einen unverrückbaren Platz in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Insbesondere über Hannah Arendts Beobachtungen zum Jerusalemer Eichmann-Prozess sind Formulierungen wie die „Banalität des Bösen“ weithin geläufig. Was aber hat dieser Name, diese Chiffre des Verbrechens, auf geologischen Karten aus Oberösterreich und Salzburg zu suchen? „Freischurf Eichmann Adolf“ lesen wir in den Bereichen Linz, Salzburg, Attersee, Wels. Mit violetter Wasserfarbe sind Rechte an Kohlenwasserstoffen auf Kartenmaterial der Geologischen Bundesanstalt vermerkt. Liegt hier eine Verwechslung vor? Oder ist es der „echte“ Adolf Eichmann (1906-1962), den wir uns im oberösterreichischen Voralpenland als hoffnungsfrohen Ölbaron vorstellen müssen? Beides. Ab 1927 ist der spätere Schreibtischmassenmörder tatsächlich in Oberösterreich in Sachen Öl unterwegs. In genau der Firma, bei der Vacuum Oil Company, in der als Geologe ab 1925 auch die Lichtgestalt des frühen österreichischen Ölwesens tätig ist: Karl Friedl (1898-1966). Ob sich der Handlungsreisende und der Geologe wohl begegnet sind? Es sind aber nicht die Freischurfe genau dieses Adolf Eichmanns, die in den Karten vermerkt sind, sondern die seines Vaters, Adolf Karl Eichmann (1878-1960). Nach einer Stellung bei der Linzer Tramway- und Elektrizitätsgesellschaft hatte dieser sich selbstständig gemacht, mit einer Ölschieferfirma, einer Mühle und anderem mehr. Der 1906 in Solingen geborene, 1914 mit seiner Familie nach Linz übersiedelte Adolf Junior wurde – ohne Schulabschluss und etwas träge – dann im industriellen Netzwerk des Vaters untergebracht, im Ölschieferbergbau am Untersberg, und – just durch die Vermittlung jüdischer Bekannter der Familie in Wien – auch bei der Vacuum Oil Company. Auf dem Motorrad ist der junge Eichmann dann unterwegs im Mühlviertel, in Sachen Heizöl und Benzin, aber auch zur Planung von Tankstellen. Der strategische Rohstoff Öl, der später den Nationalsozialisten einerseits als Mittel zum Angriffskrieg dienen wird, der aber darüber hinaus auch in den Gaskammern der Vernichtungslager Sobibór, Bełżec und Treblinka, und zuvor auch schon in den mobilen Gaswagen der Euthanasie buchstäblich als Mordinstrument eingesetzt wurde, ist hier auf bizarre Weise mit der Biografie eines Organisators der Vernichtungslager verwoben. Im Erschrecken über einen Namen auf der Freischurfkarte wird die historische Belastung auch der Energiewirtschaft in Krieg und Diktatur erkennbar, und dies um so mehr, als es sich um den Allerweltsnamen eines unauffälligen Beamten handelt. Selbst die Erleichterung, dass nur der Vater des NS-Bürokraten oberösterreichischer Ölbaron hatte werden wollen, hält hier nicht lange vor. Die Entdeckung einer familiären Verstrickung folgt dabei der Spur der Ermittler selbst. Auch die Gerichtsbarkeit tastet sich über den Vater an den Sohn heran. Über Ungereimtheiten in der Linzer Todesanzeige von Adolf Senior wurden Simon Wiesenthal und andere auf das argentinische Versteck von Adolf Junior aufmerksam. Erst im Wechselspiel aus Erschrecken und Erkennen, aus dem Erschließen und dem Einordnen historischer Belastungen kann Ölgeschichte verantwortungsvoll erforscht werden. Gerade so wird aber das Erschrecken der Nachgeborenen über einen bloßen Namen zu einer wertvollen Ressource der Erinnerung.